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Die Bremer Stadtmusikanten – Die Skulpturengruppe und ihr Schöpfer

von Iris Haist

 

Mein erster Besuch in Bremen führte, nachdem wir durch das "Schnoor" genannte Stadtviertel und die Böttcherstraße gebummelt waren, natürlich auch zum Rathaus und dem daneben aufgestellten Wahrzeichen der Hansestadt: zur bronzenen Skulpturengruppe der Bremer Stadtmusikanten mit Esel, Hund, Katze und Hahn.

 

 

Komisch eigentlich, dass gerade diese Geschichte so viel touristische Aufmerksamkeit erfuhr. Nach der Erzählung der Gebrüder Grimm wollten die sogenannten Bremer Stadtmusikanten nämlich ursprünglich als Musiker nach Bremen ziehen, um dort durch Gesang ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, doch sie kamen nie an. Viel besser gefiel es ihnen offensichtlich in einem Haus mitten im Wald, das sie Dieben streitig machen konnten... Aber die Wege der PR sind unergründlich - und in diesem Fall mehr als erfolgreich. Vor der Bronzegruppe am Rathausplatz drängen sich sogar im Winter die Besucher der Stadt und warten auf ihr kleines Foto- bzw. Selfiezeitfenster. Dann schnell davor in Pose gebracht und den Auslöser gedrückt. Wer wollte auch nicht schon immer ein Bild vor der wirklich großartigen Skulpturengruppe von... ja von wem eigentlich?

 

 

Es ist schon seltsam, dass kaum ein Tourist, der sich zuvor so stolz vor dieser Arbeit fotografieren ließ, den Namen des nicht gerade unbekannten Künstlers mit nach Hause trägt. Erst 1951 schuf niemand anderer als einer der bedeutendsten Bildhauer des 20. Jahrhunderts das unterlebensgroße Denkmal: Gerhard Marcks (1889-1981).

 

Geboren und aufgewachsen in Berlin, hatte der Autodidakt in punkto Bildhauerei eigentlich keinen wirklichen Bezug zu Bremen. Auch später lebte er nie in der Stadt an der Weser. Und doch ist Bremen heute die Stadt, die man auf den Spuren von Marcks besuchen muss, denn hier befindet sich das 1971, also noch zu Lebzeiten des Künstlers, eröffnete Gerhard-Marcks-Haus. Das Museum besitzt u.a. den künstlerischen Nachlass des Bildhauers und die für den Schaffensprozess wichtigen Vor- und Ideenzeichnungen. In wechselnden Ausstellungen werden zeitgenössische Positionen der Skulptur und Plastik, Präsentationen figürlicher Bildhauerei des 20. Jahrhunderts aber natürlich auch immer Werkkomplexe des "Hausherren" Gerhard Marcks gezeigt. Ein Besuch lohnt sich!

 

 

Aber zurück zu unseren Stadtmusikanten. Direkt nach der Aufstellung der Skulpturengruppe im Jahr 1953, fand sie erst einmal nicht die erwünschte Zustimmung der Bewohner Bremens. Die Tiere waren weder so ulkig und possenhaft wie in den bekannten Märchenbuchillustrationen wiedergegeben, noch hatte Marcks eine stark realistische Darstellung gewählt. Diese stilisierte und doch deutlich figürlich bleibende Formensprache ist ein typisches Merkmal der Marcks'schen Kunstwerke und ist zudem für die Wiedererkennbarkeit und damit für den Erfolg des Wahrzeichens verantwortlich.

 

Von vorne gesehen bildet der Turm der gealterten Tiere ein ornamentales Band, während von der Seite deutliche Unterschiede in der Silhouette der verschiedenen Tiere greifbar werden. Die Katze macht den typischen Katzenbuckel und wird so in eine umgedrehte Mondsichel verwandelt, während der Hund länglicher und Esel und Hahn runder gestaltet sind. Wie immer im Oeuvre des Künstlers, entstanden die Körper durch leichte Übertreibung jeglicher naturgegebener Form.

 

 

Mittlerweile ist die Tierpyramide von Marcks nicht nur deutschlandweit, sondern auch international bekannt. Güsse der Stadtmusikanten werden u.a. im Busch-Reisinger Museum der Harvard Art Collections, als auch im Milwaukee Art Museum aufbewahrt.

 

Wenn ihr das nächste Mal in Bremen seid, wisst ihr mehr zu diesem Werk öffentlicher Kunst, als die meisten anderen, die sich für ein Souvenirfoto vor den Tieren drapieren. Und vielleicht macht man dann doch ein Foto davor oder streicht dem Esel über die Beine. Letzteres soll Glück bringen... aus konservatorischen Gründen kann ich das als Kunsthistorikerin allerdings natürlich nicht so richtig gut heißen, denn schon jetzt ist der Abrieb deutlich an den golden glänzenden Partien zu erkennen - nach erst 65 Jahren... Aber das ist eben Teil der Mythenbildung und ein wesentlicher Aspekt für den Erfolg der Gruppe als unangefochtenes Wahrzeichen Bremens. 

 

 

 

alle Fotos by Iris Haist

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Kommentare: 2
  • #1

    Judith (Donnerstag, 25 Januar 2018 01:30)

    Toller Artikel !

  • #2

    Jens - Uwe (Donnerstag, 25 Januar 2018 19:50)

    Informativ und fein geschrieben. Macht weiter so.�