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Vor, zwischen, neben & daran vorbei – „In Seven Days Time“ von Katharina Grosse

 

von Iris Haist

 

Anfang März dieses Jahres war ich in der schönen Stadt Bonn, habe die „Fall Gurlitt“-Ausstellung und eine Schau von Arbeiten Thomas Scheibitz‘ besucht, war im Unigebäude und auch in der Stadt selbst. Was mich dort am meisten beeindruckt hat, war eine monumentale Plastik von Katharina Grosse im Außenbereich des Kunstmuseums Bonn. Eine Plastik? Oder handelt es sich doch um Malerei? Oder gar um Architektur? Aber jetzt mal der Reihe nach:

 

 

Katharina Grosse (*1961) hat geschafft, was eigentlich alle Künstler*innen sich wünschen: Sie ist angekommen im Pantheon der Kunstschaffenden, was ihr weiterhin die Freiheit gibt, sich die für sie interessantesten Aufträge auszusuchen. Was also von ihr geschaffen wird, ist nicht nur Teil des Broterwerbs, sondern immer auch von größter Bedeutung für die Künstlerin. Ort, Material und Farbkombinationen werden sorgfältig ausgewählt. Wie auch in ihrem Bonner Werk „In Seven Days Time“ von 2011.

 

Bekannt wurde Grosse durch ihre spektakulären und überdimensionalen Bildträger: ganze Hauswände, Bäume, aufgeschüttete Erdhaufen, Metallinstallationen und kunstvoll aufgespannte Stoffbahnen. „Größer, höher, weiter“ scheint ihr Motto geworden zu sein – jedenfalls eines davon. Ein anderes könnte lauten: „Es gibt keine Grenzen!“ Dass dies insbesondere für ihre Kunst gilt, hat sie mittlerweile schon überzeugend klargemacht: 2016 besprühte sie gleich ein ganzes, leerstehendes Militärgebäude mit roten und weißen, organisch fließenden Streifen, Fort Tilden in Queens, New York.

 

 

Zugegeben: „In Seven Days Time“ ist kein ganzer Gebäudekomplex, obwohl zumindest knapp sieben Meter hoch und zwanzig Meter lang, aber auch an dieser Arbeit kann man zwei grundlegende Aspekte ihrer Arbeit ausgesprochen gut ablesen: ihren mit der Sprühpistole angebrachten, in knalligen Farben leuchtenden Farbauftrag und ihre Gratwanderung zwischen den verschiedenen Kunstgattungen. Ersteres kann man besonders gut sehen, wenn man sich etwas näher an das Werk heranwagt und die verschiedenartige Gestaltung von Fläche, Übergängen und Sprenkeln einmal auf sich wirken lässt. Bei genauerer Betrachtung beginnt man zu verstehen, dass Grosse ihre Bildträger nicht irgendwie ansprüht, sondern ganz unterschiedliche Effekte mit ihrem Malinstrument erzielt, das mittlerweile zu ihrem Markenzeichen wurde. Mal ist der Farbauftrag flächendeckend pastos, mal durchscheinend, mal gefleckt, gestreift, mal glänzend und mal matt. Ich stand lange vor, neben, unter dieser Arbeit in Bonn und schaute sie mir von allen Seiten an.

 

 

Besonders das „Hinein“-Gehen, indem man unter den großen Fiberglaskörper schreitet, war eine besondere Erfahrung und stellte mich wieder vor die Frage: Handelt es sich nun um eine Skulptur, eine Architektur oder um ein Werk der Malerei? Die Antwort darauf ist: Keines davon und alles. „In Seven Days Time“ ist eine Arbeit, die nicht so sehr selbst Architektur ist, mit der sie umgebenden Architektur aber eine Symbiose eingeht. Grosse beschäftigte sich die ganze Zeit des Schaffensprozesses mit dem Museumsbau von Axel Schulte – immerhin zwei Jahre –, studierte die Struktur, die geraden Linien und die geschwungenen und entschied sich dann für eine Form, die etwa an eine Scherbe von einem runden oder bauchigen Gegenstand aus Glas erinnert. Was Grosses Arbeit selbst von einer Architektur hat, ist eben dieses Begehen-werden-können, womit der Begriff einer Installation nicht falsch wäre. Eine Plastik ist es eigentlich vor allem deshalb nicht – oder einigen wir uns auf: nicht nur –, weil die Farbe so dominant ist, dass die Fiberglasscherbe eher einem sehr außergewöhnlichen Malgrund entspricht, jedenfalls was den dominierenden Eindruck anbelangt.

 

 

Warum hat mich die Arbeit so sehr beeindruckt? Vermutlich deshalb, weil sie wirkt, als wäre sie immer dort gewesen, als wäre sie an keinem anderen Ort in dieser Weise denkbar, obwohl es an einigen anderen Stellen doch auch ähnliche Gebilde zu sehen gibt – ähnlich, aber eben doch nicht gleich.

 

 

Fotos: Iris Haist

Kunstwerk: Katharina Grosse

Besitzer: Kunstmuseum Bonn

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Kommentare: 1
  • #1

    Maria Hartmann (Mittwoch, 11 Juli 2018 14:12)

    Anschaulich und fein geschrieben.