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Wie es ist, in einem Kunstwerk zu heiraten

 

Iris Haist

 

Der Heiratsantrag war gemacht, die Antwort lautete „Ja!“, der Ort war ausgesucht und die Gäste eingeladen – dann fehlte eigentlich nur noch das Brautkleid. Ich schaute mich also um, vor allem im Internet, denn ich kaufe nicht gerne ein, aber nichts sprach mich so wirklich an. Also überlegte ich: Wenn ich es mir ganz frei wünschen dürfte, was würde ich gerne anziehen? Und mein Herz flüsterte mir ganz schnell zu: "Ich will in einer Collage von Anna Genger heiraten!"

 

Foto: Clara Holler

 

Ich rannte hysterisch kichernd durch die Wohnung

 

Gedacht, getan – ich fragte also die Künstlerin, deren Arbeiten ich sehr verehre, ob sie mir mein Brautkleid gestalten würde. Natürlich rechnete ich mit einer Absage, denn Ihre Dienste in Anspruch zu nehmen konnte ich mir schlichtweg nicht leisten und überhaupt hat eine Künstlerin mit ihrer Reputation doch anderes zu tun. Aber gar nicht erst zu fragen ist eben nicht meine Art. Die Antwort ließ mich erst fassungslos innehalten und dann euphorisch und hysterisch kichernd durch die Wohnung rennen: „Ja! Gerne! Und selbstverständlich ist es mein Hochzeitsgeschenk an dich.“

 

„Selbstverständlich“ ist es aber keinesfalls, denn es dauert sehr lange, das Kleid erst einmal zu schneidern und dann auch noch so aufwendig zu bemalen und mit Applikationen zu bereichern. Für mich, die ich Gengers Werke so sehr schätze, sind ihre Arbeiten eigentlich unbezahlbar. Sie haben einen ideellen Wert, der nicht in Zahlen gemessen werden kann – und das dann entstandene Kleid sowieso nicht.

 


Fotos: Clara Holler

 

Eleganz und Rock’n’Roll

 

Um Genger nicht noch mehr zu belasten, war mein Plan, mich quasi in eine Leinwand zu hüllen, die viel Malfläche bietet und schnell zusammengenäht war. Da hatte ich aber keine Chance gegen den Perfektionismus von Anna Genger! Also fuhr ich nach Berlin, wo sie mir das Kleid aus verschiedenen Seiden und einem Satinstoff auf den Leib schneiderte.

 

Es wurde letztlich schon im Schnitt nicht irgendein Kleid, sondern mein Kleid. Die Künstlerin verwendete quasi meinen Körper als Material für das große Ganze und bezog zum Beispiel meine Tätowierungen in die Gestaltung mit ein. Vorne wurde es kurz, damit ich besser gehen kann, hinten lang und feierlich. Eleganz und Rock’n’Roll zusammengemischt, eben genau so, wie ich es liebe – Anna Genger hat das gesehen und von sich aus genau so umgesetzt.

 

Die Braut als Kuratorin

 

Ich fuhr wieder aus Berlin ab, als das Kleid einen Schnitt hatte aber noch völlig jungfräulich weiß war. Da ich Genger vertraue, ließ ich ihr freie Hand in der Farbwahl und in der Art der Bemalung. Einige Freunde bezeichneten mich nach dieser Information als „mutig“, das ganze Unterfangen als „aufregend“ oder „abenteuerlich“.

 

Aber für mich war das irgendwie selbstverständlich. Was wäre ich denn für eine Kuratorin, wenn ich der Künstlerin vorschreiben hätte wollen, wie sie ihr Kunstwerk auszuführen hat? Mein Job ist es schließlich, das Resultat so gut wie möglich in Szene zu setzen: Mit dem barocken Porzellanschloss Favorite in Förch bei Rastatt hatte ich die bestmögliche Ausstellungsfläche gewählt, Besucher waren zur Vernissage geladen und ein glückliches Lachen im Gesicht der Trägerin war auch schon gesichert.

 


Fotos: Clara Holler

 

Ein Porträt der ganz besonderen Art

 

Erst am Tag vor meiner Hochzeit bekam ich das Kleid bemalt zu sehen – und wurde nicht enttäuscht, im Gegenteil! Genger hatte eines ihrer „Porträts“ angefertigt und es „Iris“ genannt, signiert und datiert. Am Ausschnitt entlang hatte sie stilisierte Irisblüten angebracht, knallig bunte und gedecktere Töne nebeneinander zum Klingen gebracht. Die Malereien und Zeichnungen zeigen meine fröhliche und meine nachdenkliche Seite gleichermaßen – ich habe mich selten so verstanden gefühlt, wie in dem Moment der ersten Begegnung mit diesem Kunstwerk in Form eines Kleides.

 

Doch es war noch immer nicht ganz fertig. Noch am Vorabend der Trauung sprühte Genger in unserem Garten Farbe auf – während ich das Kleid trug, damit es auch ideal zu mir passt. Und als ich schon selig schlafend im Bett lag, ergänzte meine Zauberfee noch hier eine Linie und dort eine kleine Kugelschreiberzeichnung.

 

Kaffee und Sekt als Actionpainting

 

Wenn man sich anschaut, wieviel Arbeit aber vor allem wieviel Leidenschaft in diesem Kleid steckt, ist es im ersten Moment verwunderlich, wie cool die Künstlerin auf die Frage nach den Handlungsanweisungen für Essen und Trinken oder für das Sitzen reagierte. Die Antwort war schlicht: „Wenn du etwas draufschüttest, gehört es eben dazu – oder ich übermale es, je nachdem.“

 


Fotos: Nicole Malek

 

Ein großes Dankeschön!

 

Der Tag war wunderschön, von Anfang bis Ende, und das Kleid hatte seinen Anteil daran. Einen herzlichen Dank noch einmal an dich, liebe Anna, dass du mir diesen Tag noch unvergesslicher gemacht hast, als er sowieso schon war!

 

 


Fotos: Beate Haist und Clara Holler

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Kommentare: 2
  • #1

    Rita (Dienstag, 11 September 2018 19:32)

    ..und ich dürfte dabei sein an diesem besonderen Tag.
    Ich sah eine strahlende Braut, die ein Kunstwerk
    mit einer außergewöhnlichen Natürlichkeit zum Leuchten und Leben gebracht hat.
    Ich bin mir sicher Künstlerin und "Kunstwerk Iris" verstehen sich und vertrauen einander.

    Danke für diesen wunderschönen Tag an einem so einem wunderschönen Ort.
    Du hast unser Leben "reicher" gemacht.
    Schön, dass es dich gibt.

    Rita

  • #2

    Beate (Freitag, 26 Oktober 2018 11:00)

    Bin nach dem Lesen schon wieder am weinen, das war alles so stimmig. Danke an Anna Genger die diesen Tag so unvergessen gemacht hat.