· 

Mit dem Kopf in den Wolken und doch mit beiden Beinen auf dem Boden

Ein Bericht zur Ausstellung Geograph und Wolkenfänger. FELIX HOLLENBERG 1868–1945. Maler-Radierer zwischen Niederrhein und Schwäbischer Alb, 14.10.2018–24.2.2019

 

Iris Haist

 

Malerei und Grafik aus der Ausstellung, Bildrechte: Kunstmuseum Albstadt

 

Aktuell läuft im Kunstmuseum Albstadt eine Schau zu Felix Hollenbergs 150. Geburtsjahr. Doch wer ist eigentlich Felix Hollenberg und wie kommt er auf die Schwäbische Alb?

 

Original vor Reproduktion!

 

Hollenberg war ein Künstler, der sich vor allem als Maler und – das macht seinen eigentlichen Verdienst für die Kunstgeschichtsschreibung aus – als Radierer von selbst entworfenen Motiven verstand. Obwohl er u.a. an der Kunstschule Stuttgart beigebracht bekam, Alte Meister zu kopieren, um dann mit den Reproduktionen für Publikationen sein Auskommen zu bestreiten, interessierte es ihn viel mehr, eigene Bildfindungen zu kreieren und selbst zu drucken. Diese Renaissance der Originalradierung auf dem künstlerischen Parkett Süddeutschlands war unter anderem eben diesem leidenschaftlichen und in vielen Fällen auch dickköpfigen Felix Hollenberg zu verdanken.

 

 

Zwei für alle

 

Durch das Felix Hollenberg-Archiv kamen dessen Landschaftsansichten, die nicht selten das idyllische Gebiet der Schwäbischen Alb zeigen, eben dort hin. Die Tochter des Künstlers vertraute es dem Museum im Stadtteil Ebingen 1988 als Dauerleihgabe an. Darunter finden sich fast das gesamte Radierwerk mit Zustandsdrucken und Probeabzügen auf verschiedenen Papieren, über 50 Radierplatten, seine „Merkbüchern für Ätzkunst“ und weitere Dokumente zu Leben und Werk des Künstlers. Im Kunstmuseum Albstadt kümmern sich vor allem die Direktorin Dr. Veronika Mertens und der wissenschaftliche Mitarbeiter und stellvertretende Leiter Dr. Kai Hohenfeld um den wertvollen Bestand, in dem sich auch zahlreiche Otto-Dix-Grafiken befinden – in Teilzeit. Dass es tatsächlich gelingen konnte, neben den tagtäglich anfallenden Arbeiten eines Museums eine so umfassende Ausstellung auch wissenschaftlich korrekt aufzuarbeiten, ist nur ihrer unermüdlichen Arbeit und ihrem großen persönlichen Engagement zu verdanken. Dem Ergebnis gebührt höchster Respekt.

 

 

Geograph und Wolkenfänger

 

Die Ausstellung zeigt Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken, die Hollenberg vor allem als wissenschaftlich interessierten, technisch immer wieder experimentierenden und sich perfektionierenden Künstler aber auch als den Liebhaber von ruhigen Landschaften, Feldern und wolkenübersäten Himmelsdarstellungen zeigen – wie der Ausstellungstitel schon sagt: als „Geograph und Wolkenfänger“.

 

Der Rundgang beginnt chronologisch im ersten Obergeschoss im ersten Saal gleich nach der Treppe (oder man nimmt den Aufzug und geht dann noch einmal zwei Räume nach links). Über dieses Stockwerk erstreckt sich die gesamte Spannbreite des Hollenberg’schen Schaffens. Zu Beginn bekommt man einen Einblick in die künstlerischen Anfänge inklusive seines Opus 1, der ersten von ihm anerkannten Radierung. Dann geht es weiter durch die Stuttgarter Zeit, seine jahrelangen Bemühungen um eine Standardpublikation als technische Anleitung für Maler-Radierer und dann in einen nach Motiven gegliederten Hauptraum. In letzterem fällt vor allem die lange „Wolkenwand“ ins Auge, die sämtliche dieser zum Träumen einladenden Himmelsansichten versammelt. Ein sehr schönes Detail ist hier eine etwas höher, außerhalb der Reihe gehängte Wolke, die sich scheinbar schwerelos davonmacht. Generell fällt in dieser Ausstellung die Liebe zum Detail und zu den Kunstwerken überhaupt auf.

 

 

Erholung im Salon

 

Wenn man nach all diesem Input nun eine Pause braucht, hat man im Museum selbst zwei gute Möglichkeiten: Entweder man genehmigt sich einen Kaffee im von den Freunden Kunstmuseum Albstadt e.V. zur Verfügung gestellten Aufenthaltsraum oder man setzt sich in den der Druckwerkstatt gegenüberliegenden „Salon der Freunde“. Dort hat man vom bequemen antiken Sofa einen Blick auf Hollenbergs Zeitgenossen, auf einen Flügel und auf das Bücherregal, in dem die erhaltenen Bücher aus der privaten Bibliothek des Künstlers ausgestellt werden.

 

Besieht man sich die Titel einmal näher, so stellt man zwei Hauptgruppen fest: Kunstliteratur und Geologie. Hier verdichtet sich nun das, was der Besucher in den ganzen vorherigen Ausstellungsräumen sehen konnte: Felix Hollenberg war ein Künstler, der mit beiden Beinen auf dem Boden stand und den Kopf doch immer wieder in den Wolken hatte. Der Ausstellungsbesuch lohnt sich!

 

 Ausstellungsfotos by Iris Haist

 

 

In eigener Sache:

Der Ausstellungskatalog zur Schau erscheint zu Hollenbergs 150. Geburtstag am 15. Dezember. Mit meinem Essay: „Der Sammelsport führt ja immer zum Egoismus!“ – Privates und öffentliches Sammeln aus erster Hand am Beispiel der Werke Hollenbergs in den großen Stuttgarter Kunstmuseen und anderen spannenden Beiträgen.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0