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„Lass das doch den Prakti… äh, den Volontär machen.“

Iris Haist

 

Bei der Frage nach der Wertigkeit des Volontariats im Museum sollten wir gerade auch für uns selbst zwei Sichtweisen im Auge behalten: die Innen- und die Außenwahrnehmung. Ersteres zeigt auf, was wir in diesen zwei Jahren alles gelernt und geleistet haben, letzteres ist eine Sicht, die nicht zuletzt ein Ergebnis von Unwissenheit und Mode ist. Momentan ist es nicht gerade hipp, Volontär zu sein.

 

 

„Ist es vielleicht dasselbe wie Museumsaufsicht?“

 

Als die Zusage für ein wissenschaftliches Volontariat in der Staatsgalerie Stuttgart, einem der großen Flaggschiffe der deutschen Museumslandschaft, kam, war ich überglücklich. Doch schon die Reaktion der durchaus netten Dame vom Jobcenter hätte mich alarmieren sollen. Auf meine stolze Ankündigung, dass ich nun ein wissenschaftliches Volontariat im Museum bekommen hätte, antwortete sie prompt: „Was genau machen Sie da? Ich brauche Ihre Position in einem Wort.“ Darauf ich: „Volontär?“. Antwort: „Das gibt es nur bei den Journalisten.“ – Bitte was? Ja, richtig.

 

Meine frisch erlangte Stelle war zumindest im Bereich der Arbeitsvermittlung nicht existent. Noch schlimmer war die nächste Frage: „Ist es vielleicht dasselbe wie Museumsaufsicht?“ Den Kommentar: „Nein. Und ich arbeite da auch nicht als Reinigungskraft“ konnte ich mir gerade noch verkneifen. Nicht, dass ich es schlimm gefunden hätte, zeitweilig als Aufsicht in einem Museum zu arbeiten, aber diese Bemerkung zeigte nun ganz deutlich, dass der Begriff Volontär ihr und damit wohl vielen anderen absolut nichts sagte.

 

 

„Volontärin? Arbeitest du unbezahlt?“

 

Die nächste Situation, die mir hätte zeigen müssen, wie ungewöhnlich unsere Stellenbezeichnung für Nicht-Insider-Ohren klingt, war eine kurze Sequenz während einem der frühen Zusammentreffen mit meinem jetzigen Mann, der in meinem damaligen Museum in der Technik arbeitete. Vielleicht klang meine Antwort auf die Frage, was ich eigentlich mache nach der Antwort meiner Freundin, die kurz mit einem Wort alles auf den Punkt bringen konnte, nämlich „Papierrestauratorin“, auch irgendwie sehr abstrakt. Jedenfalls kam von dem Mann, auf den ich damals schon ein Auge geworfen hatte, die Frage: „Volontärin? Arbeitest du unbezahlt?“

 

Verständliche Frage, was die Etymologie des Wortes betrifft (französisch: volontaire = Freiwilliger). Schließlich beginnt auch der Wikipedia-Artikel dazu mit dem Satz: „Unter Volontariat (kurz Volo) versteht man im allgemeinen Sinn einen freiwilligen, zeitlich beschränkten Einsatz in einer Institution oder Organisation.“ Vermutlich hat meine saloppe Entgegnung, ich hätte es ja auch nicht nötig, schließlich wäre ich reich verheiratet, die Situation nicht gerade besser gemacht.

 

Nachdem ich diesen, zugegebenermaßen doofen Scherz aufgeklärt hatte, durfte ich dann mall wieder die „Kunstgeschichte? Und was macht man damit“-Frage (wahlweise zu ersetzen durch jede andere Geisteswissenschaft, z.B.: Archäologie / Geschichte / Religionswissenschaft) und damit auch die nach der Bedeutung eines wissenschaftlichen Volontariats am Museum beantworten.

 

 

Imageprobleme: Ungesehen aussortiert…

 

Bisher hatte ich es noch mit sehr viel Humor genommen. Leider wurde mir gerade erst in der akuten Situation der Arbeitssuche bewusst, wie schlecht es um die Anerkennung des Volontariats als Arbeitserfahrung im Museum steht. Oft wird es gar nicht als solche anerkannt, vor allem aber, wenn es um das liebe Geld geht.

 

In einer Stellenausschreibung für eine Mitarbeiterstelle in der Kunstvermittlung war etwa zu lesen, dass sie zwei Jahre Berufserfahrung oder alternativ ein zweijähriges Volontariat und ein Jahr Berufserfahrung verlangen. Was so viel heißt wie: Zwei Jahre Volontariat entsprechen höchstens einem Jahr Berufserfahrung.

 

Der absolute Tiefpunkt war bisher aber die Erklärung, ein großes Museum in Baden-Württemberg habe bei der Suche nach einem neuen Kurator / einer neuen Kuratorin „alle Bewerber, die noch im Volontariat sind bzw. nach diesem keine weitere Stelle hatten, ungesehen aussortiert.“ Moment. Ungesehen aussortiert? Nach fünf Jahren Studium, sechs Jahren Promotion und zwei Jahren Volontariat in einem renommierten Museum war meine Ausbildung noch immer so wenig Wert, dass meine Bewerbung ungesehen aussortiert wurde? Mir war bis dahin nicht klar, wie groß die Imageprobleme des wissenschaftlichen Volontariats im Museum aktuell eigentlich sind.

 

 

Gibt es zu viele von uns?

 

Im Leitfaden für das wissenschaftliche Volontariat am Museum, herausgegeben vom Deutschen Museumsbund, ist zu lesen: „Welche Bedeutung das wissenschaftliche Volontariat für die Museen inzwischen hat, zeigen u. a. die stetig steigenden Zahlen dieser Stellen: Inzwischen gibt es über 600 wissenschaftliche Volontariatsstellen in Deutschland.“ Im Klartext bedeutet das eigentlich nur, dass die Museen nicht mehr ohne die oft eher schlecht bezahlten Volontäre denkbar sind. Aber wo kommen die fertigen, für die Museumsarbeit ausgebildeten Geisteswissenschaftler nach diesen zwei Jahren unter?

 

Einige Museen, wie etwa ein sehr schickes und innovatives Medienmuseum in Baden, beschäftigen zeitweise zwischen 10 und 15 Volontäre, dazu mehrere „Praktikanten im kuratorischen Bereich“ und FSJler – in einer Zeitspanne, in der höchstens eine Kuratorenstelle bzw. normal bezahlte wissenschaftliche Assistenz frei wird. Dass die Nachwuchskräfte nicht alle einen adäquaten Job bekommen werden ist eine Milchmädchenrechnung.

 

 

„Früher war alles besser…“

 

Die schlechte Ausgangslage, die ein fertiger Volontär heute bei der Arbeitssuche hat, war schon einmal besser. Wir alle kennen mindestens einen Kurator, der nach einem oder nach zwei Jahren Volontariat direkt unbefristet übernommen wurde und bis heute seine Stellung inne hat. Vor etwa 30 Jahren wurde auch noch fleißig verbeamtet. Über letzteren Punkt kann man diskutieren. Aber es ist schade, dass uns jungen Wissenschaftlern am Museum nichts mehr zugetraut wird. Unsere Vorgänger haben es doch auch gemeistert.

 

Eine Kollegin von mir sagte einmal zu mir: „Ich weiß nicht, ob wir uns nicht zu wenig zutrauen…“ Und ich glaube wirklich, dass sie recht hat. Die Arbeitssuche wird nicht besser, wenn wir aufhören, an unsere Fähigkeiten zu glauben – wenn wir denen recht geben, die uns degradieren wollen.

 

 

Doch was ist zu tun?

 

Vielleicht klingt die Stellenbeschreibung „wissenschaftliches Volontariat am Museum“ in einer Zeit von Mediendesign, Controlling und Assistant Curators einfach nicht mehr sexy genug. Könnte eine Namensänderung, wie es die Staatlichen Museen zu Berlin getan haben (wissenschaftliche Assistenz in Fortbildung), bei einer Imageverbesserung helfen? Oder werden dadurch nur die Prinzipien einer ausbildungsähnlichen Beschäftigung untergraben und die Einhaltung der Richtlinien gelockert?

 

Eigentlich sollte es nicht wichtig sein, wie man unsere Ausbildung in der praktischen Museumsarbeit nennt. Es muss auf den Inhalt ankommen. Laut Leitfaden des Museumsbundes ist das „Ziel des wissenschaftlichen Volontariats (…) die möglichst umfassende Qualifizierung für die komplexen Aufgaben und Arbeitsgebiete in einem Museum. In seinem Verlauf werden Berufserfahrung sowie die spezifischen Kenntnisse der relevanten Bereiche des Museums erworben.“ Und ich denke, dass wir das alle erreicht haben.

 

Auch die weniger vorbildlichen Volontariate bereiten uns ganz intensiv für die Aufgaben in den verschiedensten Museen vor – die gut strukturierten umso mehr! Wir sollten begreifen, was wir gelernt haben und was wir können und ruhig den Kopf etwas höher tragen. Vielleicht hilft eine verbesserte Eigenwahrnehmung auch bei der Optimierung der Sicht von außen…

 

 

Schweigen ist Silber, Reden ist Gold!

 

Jedem, der ein Volontariat gemacht hat, wird sich früher oder später des Wertigkeitsproblems des Volontariats bewusst. Darüber zu schweigen fördert die geringe Bekanntheit dieses Ausbildungsformats und lässt es wie ein Konstrukt aussehen, das der Vergangenheit angehört. Eine lebendige, offen gehaltene Thematisierung und die Diskussion verschiedenster Teilaspekte des Volontariats fördert auch die Offenlegung unserer Leistungen. Schweigen ist Silber, Reden ist Gold!

 

 

 

Hinweis der Autorin:

Dieser Text entstand 2016 noch während meines Volontariats für den Blog der AG Volontariat Baden-Württemberg https://museumsvolos.wordpress.com/. Leider existiert diese Seite nun so nicht mehr, weshalb ich mich entschieden habe, den Artikel hier noch einmal in leicht abgeänderter form zu veröffentlichen.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Beate Haist (Sonntag, 03 Februar 2019 17:18)

    Mal wieder auf den Punkt gebracht.

  • #2

    LaUsO (Dienstag, 17 Mai 2022 17:04)

    Der Beitrag hat auch im Jahre 2022 eine spürbare Relevanz. Angeblich gibt es keine "normale" Stelle mehr ohne zweijähriges Volontariat. Spürbar mehr Wissen oder Erfahrung kommt je nach Arbeitgeber auch in diesen Jahren nicht dazu. Klar, das ein oder andere ist sicher gelernt worden, aber letztlich ist auch dieser zweijährige Job ein Armutszeugnis der deutschen Kulturlandschaft, welche gute Arbeit und Ausbildung nicht entlohnt. Nach 10 Jahren Studium nochmals 2 Jahre auf Minimalniveau überleben bei 40 Stunden in der Woche ist blanker Hohn. Es ist Lohndumping und nichts anderes. Die Betriebe bekommen top Leute aus den Unis und zahlen kaum etwas. Bei den FSJ'lern ist es noch schlimmer, jung und naiv wird mal eben bei 40 Stunden zum "Omnitool" und brennen nach einem Jahr komplett aus. Ohne ein massives Umdenken in den Köpfen der Führenden in diesem Land werden wir der Niedriglohnsektor schlechthin. Das bleibt aber nicht zu erwarten.