Iris Haist
Eines der augenscheinlichsten und meist auch handlungstragenden Merkmale der Superschurken*innen und Antihelden*innen aus dem Batman-Universum ist ihre persönlichkeitsdominierende Geisteskrankheit. Ohne diesen Wahnsinn, der normalerweise durch einen übernatürlichen Unfall verursacht wird, würden sie ihre Rolle nicht in dem Maße glaubwürdig verkörpern, wie sie es üblicherweise tun. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig ...
Cover von Bruce W. Timm, The Batman Adventures: Mad Love (1994) #1, Detail
Nimmt man zum Beispiel Two-Face, Harvey Dent mit bürgerlichem Namen, einen Schurken mit Macht, Verstand und ebenso viel Brutalität: Sein Gesicht ist halb vernarbt und halb intakt mit attraktiven Zügen. Doch nicht nur sein Gesicht und seine Anzüge sind in der Mitte geteilt, sondern auch sein gesamtes Wesen. Sein Aussehen veranschaulicht überdeutlich seine gespaltene Persönlichkeit – das Innere wird nach außen hin sichtbar gemacht. Ähnlich liegen die Dinge bei Thorn, einer Nebenfigur, die an Schizophrenie leidet. Abhängig von ihrer aktuellen Identität, trägt Thorn ihre Haare blond und kurz oder unter einer langen, brünetten Perücke.
Poison Ivy und Thorn, aus: Harley Quinn, Die Braut des Bizarro,
Artwork by Terry und Rachel Dodson
Die vielleicht aufregendsten Figuren in dieser Hinsicht sind der Joker und seine erst 1992 in "Batman: The Animated Series" eingeführte On-Off-Freundin und Komplizin Harley Quinn. Den Joker kennen wir mittlerweile alle und spätestens mit seinem aktuellen Real-Film Start in Deutschland werden ihn noch mehr Menschen kennenlernen (eine fundierte Filmkritik findet ihr hier). Etwas anders verhält es sich mit seiner weiblichen Kollegin. Man kennt sie vor allem als sexy Hau-Drauf-Frau aus „Suicide Squad“ oder als beliebtes Sujet bei Cosplay-Veranstaltungen. Die Medienwissenschaft hat sie bisher, vermutlich wegen ihres jungen Daseins in den Comics, noch nicht gebührend beleuchtet. Deshalb soll sie hier kurz vorgestellt werden.
Dr. Harleen Quinzel mit dem Joker, aus: The Batman Adventures: Mad Love (1994) #1,
Artwork by Bruce W. Timm
Harley Quinns comicgenuine Origin Story ist gleichermaßen kurz erzählt wie turbulent: Sie studierte ursprünglich Psychologie, promovierte und begann ihre praktische Arbeit als Psychiaterin in der Nervenheilanstalt für geistig beeinträchtigte Schwerverbrecher namens Arkham Asylum in Gotham City. Dort verliebte sie sich in "Mad Love" von Paul Dini und Bruce W. Timm (1994) in den Joker, seines Zeichens ein verrückter Massenmörder mit Zwangsstörungen, den sie eigentlich als Patienten hätte heilen sollen. Sie verhilft ihm nach einem gescheiterten Ausbruchsversuch seinerseits im Kostüm eines Harlekins zur Flucht und verliert dabei selbst ihren gesunden Geisteszustand.
Nach einer kurzen aber heftigen Liebesaffäre hat der Joker genug von ihr und versucht sie in einer Rakete zerschellen zu lassen und damit zu töten. Dies führt zu ihrer Trennung, allerdings eher physisch als gefühlsmäßig, denn ihr „Mr. J“ – oder auch liebevoll „Pupsie“ genannt – ist immer Teil ihrer Gedanken und Wahnvorstellungen. Als Ärztin trägt Harleen Frances Quinzel, so ihr bürgerlicher Name, ihr Haar blond und hochgebunden, als Harley Quinn trägt sie es hingegen anfangs unter einer Narrenmütze, später zu Zöpfen gebunden mit roter und blauer (oder wahlweise schwarzer) Haarfarbe, was ihre gespaltene Natur anzeigt und visuell ausdrückt.
Harley mit ihrem Haustier Bernie, aus: Harley Quinn (2014) #0, Qual der Wahl,
Artwork by Amanda Conner
Im Gegensatz zu den moralischen Vorstellungen der guten und geistig gesunden Superhelden ist eine Bezeichnung als „verrückt“ für Superschurken oder Antihelden eine Auszeichnung, keine Einschränkung. Der Charakter von Harley Quinn zum Beispiel lebt gerade durch dieses Label. Nur aufgrund ihrer Gespräche mit Bernie, ihrem Haustier – einem toten ausgestopften Biber – und ihrer impulsiven emotionalen Ausbrüche und affektiven Handlungen wurde ihre Geschichte ein Bestseller. Unvergessen ist die Wahl ihrer Waffe, die in einigen Ausgaben auf einen riesenhaften, eher grotesk anmutenden Hammer fällt. Ihre Geisteskrankheit, die in ihrer Wechselhaftigkeit vielleicht am ehesten einer stark bipolaren Störung mit Wahnvorstellungen ähnelt, ist ihre wichtigste Superkraft. Ich bin gespannt, ob dieser Unterhaltungswert auch im Anfang 2020 anlaufenden Film „Birds of Prey. The Emancipation of Harley Quinn“ transportiert wird.
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