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LOTTE Adé. Oder: Nach dem Projekt ist vor dem nächsten!

... glitzer, glitzer: Stuttgarts wildester Projektraum will sich nicht verstetigen und bleibt seiner Maxime treu.

 

Pia Littman

 

Iris hat Euch letzte Woche eine Geschichte aus Stuttgart erzählt, die von der Ästhetik der großen Baugrube Stuttgart 21 vor dem Hauptbahnhof handelt. Direkt gegenüber – und mit der Genese und den Geschicken der Baustelle eng verwoben – liegt die LOTTE, über die ich ein paar Zeilen schreiben möchte.

 

Denn am 2. Juni 2017 feierte der kleine Kunstraum, der sich zu einer festen Größe in der Stuttgarter Szene gemausert hat, Abschied. Auf den Tag genau 5 Jahre nach ihrer Eröffnung war Schluss mit LOTTE. Ganz so, wie es von Anbeginn geplant war. Eine Abschiedsrede, die von den zahlreichen, vielfältigen Ausstellungen und Aktivitäten der vergangenen Jahre berichtet hätte und zugleich mit einem Plan B, C oder D den Weg in die Zukunft gewiesen hätte, gab es nicht. Was es gab, war aber fast noch schöner.

 

So war es für das LOTTE-Team eine große Freude und wie ein Fingerzeig des Schicksals, dass die einmal rund um die Wände des Schauraumes geklebten Flyer, die sämtliche jemals in der LOTTE veranstalteten Ereignisse dokumentierten, genau passten. Aber wirklich auf die Blattkante ganz genau schloss sich der Kreis – wer braucht da eine maßgeschneiderte Adé-Zeremonie, wenn der Zufall eine so deutliche Sprache spricht?

 

 

Zwischen den beiden Ausstellungsflächen der LOTTE befindet sich ein ausgebauter kleiner Raum, der zu den hinteren Zimmern führt und von beiden Seiten durch schmale Stufen erreicht werden kann. Wie dem auch sei: In diesem Zwischenreich ist eine Nische in die Wand geschlagen, in der sich die Moral des Abends, ja vielleicht sogar der ganzen Geschichte offenbarte: Temporary Eternity to go prangte da an der Stirnwand, umflort von dem rosaroten Licht einer Leuchtstoffröhre. LOTTE, das steht ja für Land of Temporary Eternity. Und jetzt eben ...

 

 

… „to go“? Danke, tschüss, das war’s und hier habt Ihr noch was zum Mitnehmen? Ganz so einfach war es nicht. Denn auf der kräuseligen Silberfolie stand eine Schale mit Taschentüchern und die sagten durchaus: Sei ruhig ein bisschen traurig! Die glänzenden LOTTE-Sticker, ebenfalls freimütig „to go“, also zum Mitnehmen gedacht, entgegneten derweil: Na ja, etwas von uns wird schon bleiben, zumindest solange der Klebstoff hält. Und das Geklitzere rundherum meinte ganz klar: The show must go on!

 

And it will go on: Um Vorschläge für künftige, idealerweise freilich künstlerische Nutzungskonzepte wird nun auch ganz offiziell bereits gebeten. Erik Sturm, in tragender Rolle die fünf LOTTE-Jahre mit von der Partie und selber künstlerisch tätig, vergleicht das mit einem neuen Betriebssystem: Das Gehäuse bleibt, aber die Sprache wird verändert, aktualisiert, sie wird neu programmiert. Also wie lautet es, das neue Programm der LOTTE, hoppla, der kleinen Galerie an der Konrad-Adenauer-Straße?

 

"Wie es einmal tagen wird [will sagen: wie genau es denn nun kommen wird, Anm. d. Verf.] – wer weiss es! Wir aber spüren den Morgen", dichtete vor fast 100 Jahren pathetisch Bruno Taut in seinem Manifest "Nieder den Serioismus" (1920). Wir spürten zwar nicht genau den Morgen, aber wir tanzten noch die ganze Nacht zu feinem Elektro und anderem Sound. Denn das war ja der eigentliche Clou: Noch einmal eine große Party feiern, ganz unverkopft und wagemutig – neben der Baugrube, zwischen Kränen und Absperrbändern. Prost, LOTTE, nach dem Projekt ist vor dem nächsten!

 

 

alle Fotos in diesem Text © Christian Schmid, Pia Littmann

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