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Karl Einhart, „Am Ufer“. Oder: Klirrende Kälte im August

Pia Littmann

An einem der letzten Sommertage fuhren wir hinunter nach Konstanz. Unser Ziel war die süddeutsche Sommerfrische, der sagenhafte Bodensee. Allerdings war die oft gepriesene Aussicht nicht die erhoffte. Statt der erhabenen Konturen der Voralpen starrten wir auf wabernde Nebelschwaben. Oder in die Undurchsichtigkeit des Föns, wie ich meteorologisch korrekterweise sagen sollte. Also sind wir in die Stadt gelaufen und in die Städtische Wessenberg-Galerie gegangen. Dort machten wir Bekanntschaft mit Karl Einhart (Konstanz 1884 – 1967 Konstanz), der auch, und vielen vielleicht besser, als „Bodenseemaler“ bekannt ist.

 

Zu seinem 50. Todestag ehrte die Galerie den Maler mit der Ausstellung „Dem See treu. Karl Einhart und seine Weggefährten“, 6. Mai – 27. August 2017). Einharts Gemälde „Am Ufer“, ein zweifellos sehr stattliches Querformat, offenbarte sich uns gleich im ersten Raum. Mehr noch: Das Werk, das als seine frühste Arbeit gilt, zog uns auf den ersten Blick in seinen Bann. Grau-Blau, Blau-Braun, Blau und Weiß – der Titel ist ein Understatement, denn es ist eindeutig das Wasser, das dieses Bild dominiert.

 

Karl Einhart (1884 -1967), Am Ufer (Winter am Untersee), ohne Jahr, Öl auf Leinwand, Inv.Nr. 9/9 Städtische Wessenberg-Galerie

 

Und was für ein Wasser das ist: Es schimmert und glitzert nicht und doch ist es berückend schön. Zähes, glattes, kaltes Wasser, durchzogen von hellbraunen Schlieren und eingerahmt von zwei schmalen Streifen verschneiten Ufers. Auch hier zeigt der Maler keine quirligen, tanzenden Flocken, wie man sie aus mancher Winterlandschaft kennt. Der gelblich graue Schnee ist erstarrt, krustig.

 

Der windschiefe Holzpfahl und der kleine Kahn im Vordergrund sind die einzigen Zeugen menschlicher Gesellschaft. Sie sind es, die uns die Kraft und Weite der winterkalten Szenerie so recht verdeutlichen: Schön, rabiat und irgendwie surreal – so, wie uns die Natur an einem eiskalten Tag erscheint, so zeigt sie uns Einhart in diesem Bild. Ein Bild, das seinen Betrachter magisch anzieht und ihn zur Versenkung einlädt wie eine tibetische Meditationsmusik.

 

Wer sich fragt, wie sich der Maler nach diesem Auftakt entwickelte, dem sei gesagt: Anders als man denkt. Seine Palette wird lichter, seine Werke sehen in der Regel durchaus gefälliger aus. Von meinem Bodensee-Trip im August nahm ich trotzdem zu allererst Einharts klirrenden Untersee als bleibende Erfahrung mit nach Hause – Sommerlaune mal anders eben.

 

© Abbildung mit freundlicher Genehmigung der Städtischen Wessenberg-Galerie

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